NACHHALTIGKEIT
MÖBEL FÜR DIE EWIGKEIT
NACHHALTIGKEIT

ÜBER GENERATIONEN HINWEG

Ein Klassiker für Generationen: Der Eames Lounge Chair (Vitra)
Gutes Design ist per se nachhaltig. Denn was weitergegeben wird, muss gar nicht erst recycelt werden.
AUTORIN: Catherine Hug

In Zeiten von Klimawandel, knappen Ressourcen und einem stetig wachsenden Müllberg ist Nachhaltigkeit gefragt, im täglichen Lebensmitteleinkauf wie auf Reisen oder beim Einrichten der eigenen vier Wände. Und auch wenn natürliche Materialien aus nachwachsenen Rohstoffen auf den ersten Blick umweltfreundlicher erscheinen als Möbel aus Kunst- oder Verbundwerkstoffen, ist eine andere Größe der eigentliche Gradmesser für gelebte Nachhaltigkeit: die Lebensdauer der Möbelstücke, mit denen wir uns umgeben. Denn während laminierte Spanplatten spätestens nach ein paar Umzügen schlapp machen, gewinnt der Stahlrohrstuhl mit den Jahren an Patina und steigt damit auch in seinem ideellen Wert. Dazu wird gutes Design eben mit der Zeit immer besser.

Ist doch mal etwas kaputt, lässt sich das gute Stück im Gegensatz zu schnell produzierter Massenware, dazu noch reparieren oder restaurieren. Eine lohnende Investition also, nicht nur für die Umwelt und kommende Generationen, sondern auch für den eigenen Geldbeutel. Vererben statt Wegwerfen so die Philosophie dahinter – geht nur mit erstklassigem Design, das nicht so schnell aus der Mode kommt – eben weil es keiner Mode folgt.

Und so erfreut sich die Stücke, die sich allgemeinhin unter dem Begriff Mid-Century-Design versammeln, ungebrochener Beliebtheit: von den 30ern bis hin zu den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts – von Mies van der Rohe, Marcel Breuer und Charles-Édouard Jeanneret (Le Corbusier) über Ray und Charles Eames zu Harry Bertoia und Eero Saarinen. Möbel, die mit allem Vorherigen brachen und Gestalter, die sich mit ihren Entwürfen nur allzu deutlich von den reaktionären Stilmöbeln der Epoche abhoben, Möbel aus neuen Materialien schufen, mit Kunststoff, Vinyl, Plexi- und Acrylglas, Furnier und Aluminium experimentierten und statt der immergleichen neutralen Farbpalette auch schon mal auf exzentrischen Primärfarben setzten.

Die nachhaltigsten Entwürfe sind dabei die, die unabhängig vom Jahr der Gestaltung für jede Generation aufs Neue als modern gelten. Sie weisen eine „gestalterische Reinheit und skulpturale Selbstsicherheit“ auf, wie es Cara Greenberg im Vorwort einer neueren Auflage ihres Buches „Mid-Century Modern“ 1995 so treffend beschrieb. Ob der Butterfly Stool von Sori Yanagi (Vitra, 1954), dessen Sitzfläche an Schmetterlingsflügel erinnert oder der Wishbone Chair von Hans J. Wegner (Carl Hansen & Søn, 1949), der Handwerk und Komfort auf eine einzigartige Weise miteinander vereint. Purismus scheint eine Voraussetzung für die Zeitlosigkeit ikonischer Stücke, zu denen selbstverständlich auch Marcel Breuers Stahlrohrfreischwinger S 32 (Thonet, 1929/30) zählt.

Zusammen mit Mart Stams S 33 und S 34, den ersten Freischwingerstühlen überhaupt bietet das hessische Unternehmen Thonet heute neben der Originalversion auch Outdoorvarianten mit Netzgewebe in unterschiedlichen Farben an.

Überhaupt – so wie Thonet machen es viele Hersteller und erweitern ihre Kollektionen um Neuinterpretationen und Re-Editionen von Stücken aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Zu neuen Ehren kommt dabei auch der Chaise Tout Bois aus dem Jahre 1941. Der einzig komplett aus Holz gearbeitete Stuhl des französischen Designers Jean Prouvé wird nun von Vitra hergestellt.

Weder Mid-Century noch Re-Edition zählt auch das Sofaprogramm Conseta, das Friedrich-Wilhelm Möller 1963 für Cor entwarf, längst zu den Klassikern. Um zeitgemäß zu bleiben, erlebt es immer wieder kleinere Updates.

Aber auch jüngere Entwürfe haben das Zeug zum vererbbaren Klassiker: etwa der Vico-Duo-Stuhl von Vico Magistretti, den Fritz Hansen anlässlich des 100. Geburtstages des Designers bereits 20 Jahre nach dem ersten Entwurf mit einer Wiederauflage feiert.

Bereits 10 Jahre nach Erscheinen zählt der Bell Table von Sebastian Herkner (ClassiCon) bereits zu den Klassikern. Der Glasglockentisch, mit dem der Offenbacher seinen Durchbruch feierte, hat jüngst eine hohe Version, den Bell High Table hervorgebracht und ist mittlerweile nicht mehr aus dem Designkanon wegzudenken. Gleiches gilt auch für den Chair One von Konstantin Grcic (Magis) oder den Rope Chair der Gebrüder Bouroullec (Artek).

Wirklich gutes Design ist eben per se nachhaltig, weil langlebig und ressourcenschonend. Deshalb sollten beim Einrichten auch weniger aktuelle Trends eine Rolle spielen, als der eigene Geschmack.

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