Edra – Komfort, Eleganz und Performance
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WeiterlesenZum Stararchitekten gelangt man über den Aufzug des Buchbinders. Rasselnd öffnet sich die Metalltür. Es riecht nach Druckerschwärze. Dann eine steile, schulterschmale Treppe hoch, und wir stehen im Atelier. An abgekratzten Betonwänden kleben verstreut Kacheln – schwer zu erkennen, ob gewollt oder notgedrungen. Unmissverständlich dagegen das Schweigen der Mitarbeiter. Gedrängt und konzentriert sitzen sie vor Bildschirmen, verteidigen an kleinen Tischen, was ihnen an Privatsphäre geblieben ist, mit Styroporblöcken, Modellteilen und Pappschachteln. Willkommen in der kreativen Welt von Tokio. Willkommen in der Architekturwerkstatt von Sou Fujimoto. Als könnte er Gedanken lesen, erklärt der großgewachsene Japaner gleich bei der Begrüßung, dass Privatsphäre ein Konzept der Amerikaner sei.
„UNSERE TRADITIONELLEN BAUTEN KANNTEN KEINE BARRIEREN, DIE TÜREN WAREN AUS PAPIER, JEDER KONNTE JEDEN HÖREN, SEHEN, FÜHLEN. SICH ZURÜCKZIEHEN, SICH ABKAPSELN WAR UNS FREMD. ERST NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG HAT SICH DAS EINGESCHLICHEN.“
Wir nehmen Platz vor einem Holzmodell, das bis zur Decke reicht. Wie die meisten seiner Kreationen hat der 47-Jährige auch diese mit Buchstaben gekennzeichnet, und zwar mit den Initialen des Auftraggebers: NA House. „Der Baugrund war typisch japanisch, ein kleiner Erdfleck im urbanen Wirrwarr“, sagt Fujimoto. „Die Besitzer, ein junges Ehepaar, lebten zuvor in klar definierten Bereichen: Küche, Vorraum, Wohn- und Tatami-Zimmer. Dem wollten sie entkommen. Kojen und Buchten, lose verbunden, verteilt auf verschiedenen Ebenen – das war meine Lösung.“
In den aufgestapelten Glasboxen des NA House können die Bewohner je nach Laune die passende Ecke finden, zum Lesen, Essen, Schlafen, Arbeiten oder Musikhören. Ständig wechseln Nischen, Fluchten und Winkel ihre Funktion, ermöglichen ein transparentes Leben im Fluss, im Transit – so wie Tokio.
Im 35-Millionen-Großraum ragen gleich mehrere Zentren mit Wolkenkratzern in den Himmel, verbunden durch ein Häusermeer – aus Holz. Die meisten der zwei- bis dreistöckigen Familienbauten haben eine Lebensspanne von nur 30 bis 40 Jahren. Danach werden sie abgerissen. Oft sind die Erben zahlungsunfähig, denn die Erbschaftssteuer ist hoch, deshalb verkaufen sie Grundstücksanteile. So werden die Fundamente
in Japans Städten immer kleiner und bizarrer.
Diesen Raummangel müssen japanische Architekten durch Kreativität wettmachen. Beim Tokyo Apartment hat Fujimoto fünf Minihäuser so arrangiert, als hätten Kinder sie beim Spielen aufeinandergestapelt. Jede Einheit besteht aus einem Zimmer, erreichbar über eine Metalltreppe im Freien.
Aufgewachsen ist Fujimoto auf der nördlichen Insel Hokkaido. Sein erster großer Wurf gelang ihm vor zwölf Jahren mit dem Final Wooden House. Scheinbar durcheinander hat er 35 Zentimeter dicke Zedernblöcke aufgestapelt und ein Gebäude geschaffen, bei dem sich die Funktionen von Wand, Boden und Möbel austauschen lassen, je nachdem, wo man steht und liegt und was man tut. „Wie in Urzeiten, in Höhlen, als es noch keine Designer und keine Architekten gab.“
In seinem Buchmanifest „Primitive Zukunft“ verteidigt er als Architekt den Ur-Raum des Menschen, die Höhle. Sie ist roh und robust und ohne jede Künstlichkeit. Ein idealer Ausgangspunkt für räumliche Entdeckungen und Alternativen. Erst wenn sich allmählich Emotionen mit ihr verbinden, wächst sie über ihre pure Schutzfunktion hinaus. Dann wird sie praktisch und wohlig und schließlich ein Nest.
Daran dachte er auch, als er in Hokkaido ein Krankenhaus für behinderte Kinder baute. „Ich stellte fest, dass sie Ecken brauchen, in die sie sich zurückziehen können, wenn sie Probleme haben, aber so, dass sie von ihrem Versteck aus die Welt draußen verfolgen können. Das gilt eigentlich für alle Menschen, nur geben es Erwachsene nicht gern zu.“
Unsere Höhlenherkunft bezeichnet Fujimoto als Embryonalstadium der Architektur, die wir im Hinterkopf behalten müssen, wenn wir die Zukunft planen. Und er glaubt fest daran, dass sein Beruf die Gesellschaft bereichern und die Lebensqualität steigern kann – selbst in Zeiten, in denen wirtschaftliches Wachstum gefährdet ist. „Ich möchte dazu beitragen, dass es in Japan wieder mehr revolutionäre Konzepte gibt. Das alte ökonomisch-ökologische System bricht zusammen.
„WIR KÖNNEN NICHT MEHR DASITZEN UND WARTEN, DASS DIE LÖSUNGEN VON SELBST AUF UNS ZUKOMMEN!“
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